XIII. Pinzgauer-Weltkongress in Australien
Ende Oktober war es endlich so weit. 2020 war geplant, die Direktoriumssitzung der Internationalen Pinzgauer Vereinigung in Australien abzuhalten. Die weltweite Pandemie machte uns einen Strich durch die Rechnung.
Die österreichische Delegation aus 20 Pinzgauer Züchterinnen und Züchtern begaben sich ans andere Ende der Welt, um ein uns unbekanntes Land zu erkunden. Dort trafen wir die Delegationen aus der Slowakei, Kanada, Australien sowie Südafrika. 20 Flugstunden und 17.000 Kilometer entfernt liegt der fünfte Kontinent. Wir landeten in Sydney, mit 5,5 Millionen Einwohner die größte Stadt des Landes mit insgesamt 25 Millionen Einwohner. Australien ist so groß wie Europa, und vor allem an der Ostküste besiedelt. Ein paar weitere Fakten, es gibt 23 Millionen Rinder, 125 Millionen Schafe sowie 150 Millionen Kangaroos. An der Ostküste zwischen Sydney und Melbourne lebt ein Großteil der Australier. Hier ist das Klima gemäßigt mit heißen Sommern und milden Wintern sowie hohen Niederschlägen. Umso weiter man nach Westen kommt, umso trockener wird es. Hier gehen dann die Niederschläge stark zurück und die Tiere brauchen viel größere Flächen als Weideland. In Norden herrscht subtropisches Klima mit viel Regen und hoher Luftfeuchtigkeit, hier werden tropische Früchte und Zuckerrohr angebaut.
Zwei Autostunden südlich von Sydney liegt das schöne Städtchen Kiama an der Küste. Hier liegt die Fairfieldfarm der Familie Roso. Julia und Steve leben hier mit ihren Kindern Siena und Luca auf einer 40 ha großen Landwirtschaft und halten 40 Pinzgauer Kühe mit der Nachzucht sowie vier Zuchtstiere. Die Farm war früher eine Milchviehfarm, in der Gegend wird aufgrund der guten Niederschläge viel Milchvieh gehalten. Es wird kein Stall benötigt, die Tiere sind das ganze Jahr auf der Weide. Nur wenn es im Winter trocken ist, meistens im Juli und August muss etwas zugekauftes Heu gefüttert werden. Julia ist eine gebürtige Vorarlbergerin und ist schon vor einiger Zeit nach Australien ausgewandert. Mit dem Kauf der Farm vor einigen Jahren haben sie sich für das Pinzgauer Rind entschieden. Sie kauften von allen bekannten Züchtern einige Tiere, teilweise mit Fahrtstrecken über 1000 Kilometer und bauten sich eine sehr qualitätsvolle Herde auf. Die mittelrahmigen Tiere stehen im guten Zweinutzungstyp mit guten Eutern. Die Kälber wurden im September geboren und zeigten sich sehr gut entwickelt. Dier Hälfte der Herde ist genetisch hornlos, das Ziel ist die Hornlosigkeit der ganzen Herde. In Australien ist im gemäßigten Klima Angus die dominierende Fleischrinderrasse und damit die stärkste Konkurrenz. Aus Österreich wurden KR Max und KR Mars sowie Haller-Fex importiert, um die Linienvielfalt zu stärken. Teilweise züchtet man auch schwarze Pinzgauer, die vor allem bei Angus-Züchtern Interesse wecken. Zwei Stiere am Betrieb aus australischer Zucht sind reinerbig genetisch hornlos, das heißt sie vererben 100 % hornlose Kälber in der ersten Generation.
1991 wurden die ersten Pinzgauer nach Australien importiert, teilweise aus Kanada und den USA sowie aus Österreich. Die Tiere wurden geflogen, die Kosten für den Import dadurch sehr hoch. Daraus entwickelte sich eine kleine Population, die auf der Suche nach neuen Züchtern ist. Landwirtschaft in Australien zu betreiben, heißt ohne Unterstützung vom Staat zu wirtschaften. Die Preise sind Weltmarktpreise und schwanken teilweise beträchtlich. Der Fleischpreis ist im Keller, der Milchpreis so hoch wie nie.
Zwei Beispielsbetriebe wurden dazu besucht. Ein Milchviehbetrieb mit 2100 Holstein-Kühen sowie der gesamten Nachzucht. 1100 Kühe werden dreimal, die anderen 1000 Kühe zweimal in einem 50-er Karussell-Melkstand gemolken. Bis zu 4 kg Kraftfutter erhalten die Kühe beim Melken. Die Tagesmilchmenge pro Kuh liegt im Schnitt bei 30 kg, 60.000 kg Milch werden am Tag abgeliefert. Über 0,5 € liegt im Moment der Milchpreis. Die Kühe werden geweidet, zugefüttert wird je nach Graswachstum auf den Weiden. Es gibt keinen Stall, über dem Melkstand ist ein Flugdach. Für die frisch abgekalbten Kühe sowie lahme oder kranke Kühe gibt es eine Weide in der Nähe des Melkstandes. Mitarbeiter melken rund um die Uhr, nur für das Waschen der Melkanlage bleibt das Karussell eine Stunde am Tag stehen.
1700 Merino-Schafe auf 700 Hektar Weideland werden auf einem anderen besuchten Betrieb gehalten. Hier weiter im Inland etwa 150 km von der Küste entfernt regnet es schon deutlich weniger, das Klima ist für Schafe mit der besten Wolle der Welt prädestiniert. Die Schafe werden einmal im Jahr von drei Schafscherern in einer Woche geschoren. Die Wolle wird nach Qualität sortiert für rund 6 € / kg verkauft und in die ganze Welt exportier. Weitere Einkünfte ergeben sich aus dem Lamm- und Altschafverkauf, spielen aber eine untergeordnete Rolle. Leben kann eine Familie von dieser Betriebsgröße nicht, dazu müssen die Tierzahlen viel höher sein.
Um eine Vorstellung von den Dimensionen der Landwirtschaft zu erhalten, besuchten wir eine Viehvermarktungsanlage. Hier können in der Woche 3.800 Rinder sowie 30.000 Schafe versteigert werden. Es ist die einzige im Umkreis von 150 Kilometer. Die Tiere werden von großen Trucks angeliefert und in der Gruppe auf den Kilopreis versteigert. Interessant für uns war das die Tiere erst im Anschluss vor der Verladung gewogen werden. Im Moment kostet ein Einsteller mit 200 kg nur rund 400 €. Die Tiere werden schon mit rund 400 kg Lebendgewicht geschlachtet.
Wie bei jedem Pinzgauer Kongress, die alle fünf Jahre stattfinden, wurden Fachvorträge abgehalten. Online wurden wir über die australische Vieh- und Fleischindustrie informiert sowie die Chancen des Pinzgauer Rindes auf einem sehr umkämpften Markt aufgezeigt. Der Vortragende ging auf die Verknüpfung mit der europäischen Geschichte ein und empfahl jedem jungen Züchter nach Europa zu gehen, und dort einmal Pinzgauer Kühe zu melken.
Der zweite Vortragende war ein Tierarzt, der zu seinen Kunden weit reist und teilweise fliegt. Die Arbeit eines Tierarztes in Australien ist die Bestandsbetreuung und Betriebsberatung, weniger die Einzeltierbetreuung. Hier geht es vor allem um die Verbesserung der Fütterung und das Weidemanagements. Eingriffe wie Kastrieren oder Enthornen werden von den Farmern selbst erledigt.
Neuwahlen standen auch auf der Tagesordnung des Kongresses. Hans Scharfetter wurde wieder zum Präsidenten der internationalen Pinzgauer Vereinigung gewählt, ihm zur Seite stehen Tommie van Zyl aus Südafrika sowie Vit Celko aus der Slowakei als Vizepräsidenten. Mathias Kinberger wurde wieder zum Geschäftsführer für die nächsten fünf Jahre bestellt.
Berichte aus den Mitgliedsländern wie der Slowakei, Österreich, Südafrika, Australien sowie Kanada rundeten den Kongresstag ab. Die nächste Direktoriumssitzung soll 2025 in Deutschland stattfinden, der nächste Kongress 2028 in der Slowakei.
Mathias Kinberger